Im Land der Urelefanten

Der „Mühldorfer Urelefant“ und der „Ebinger Hauerelefant“ – zwei prähistorische Funde im Landkreis Mühldorf

Als ein leidenschaftlicher Angler am Steilufer des Inns, unweit von Gweng, „einen seltsam geformten“ Stein entdeckte, wandte er sich an einen Freund. Der stellte fest, dass es sich hierbei um den Überrest eines Tieres handeln musste. Die beiden Männer setzten sich mit dem Paläontologischen Institut der Universität München in Verbindung. Dort wurde der Fund mit großem Interesse registriert und die Ausgrabungsarbeiten konnten zeitnah beginnen.

Einblicke in die Bergung der fossilen Überreste

Gefunden wurde ein nahezu vollständiges Elefantenskelett des Gomphotherium. Diese Art lebte in der Zeit des obermiozänen Pannons (vor 11,5 bis 8,6 Millionen Jahren) und ist im Laufe des Eiszeitalters vor ca. einer Million Jahren ausgestorben. Untersuchungen ergaben, dass die Überreste des „Mühldorfer Urelefanten“ zwischen 13 und 11 Millionen Jahre alt sind. Das Gomphotherium – ein Vorfahre unserer heutigen Elefanten – ist nur ein Beispiel der großen Vielfalt an Rüsseltieren. Insgesamt sind ca. 180 fossile Arten von Rüsseltieren bekannt. Rüsseltiere waren auf der ganzen Welt verbreitet und fühlten sich im subtropischen Klima und in der oberen Süßwassermolasse besonders wohl (vgl. weiterführende Literatur). Das Klima war damals fünf bis sechs Grad wärmer als heute und die Landschaft wurde von riesigen, häufig versumpften und bunt gemischten Urwäldern geprägt.

Ein Teil des Kiefers und einige Zähne des Gomphotherium im Größenvergleich

Der Urelefant wurde im Innbett bei Gweng bei Flusskilometer 110,8 gefunden. Die Überreste befanden sich in einer Sandlinse des jungtertiären Flinzes (das ist eine jüngere Serie der Bayerischen Oberen Süßwassermolasse). Während der ersten Ausgrabung (4.-7.10.1971) konnten die Forscher alle Backenzähne, beide Unterkieferäste mit Stoßzähnen, diverse Schädeltrümmer, sechzehn Wirbel, beide Schulterblätter und mehrere Teile von Rippen bergen. Eine zweite Ausgrabung fand 1972 statt. Insgesamt war es eine schwierige Bergung, da sich die Überreste am Fuß eines 40 Meter hohen Steilhangs befanden und in Höhe der Niedrigwassergrenze lagen. Dies führte dazu, dass das Grabungsfeld ständig von Wasser umspült war. Teilweise transportierte man die schweren Knochen mit einem Schlauchboot über den Inn ab. Um sie zu schützen, wurden sie in einen Gipsmantel gepackt.

1975 wurde an der Fundstelle noch einer der oberen Stoßzähne entdeckt, der zweite wurde nie gefunden. Die Forscher stießen insgesamt auf etwa 170 Knochen, wobei bei Raubgrabungen der größte Teil des rechten Oberarms, das Oberende des linken Oberarms und die Gelenkpfannen der Schulterblätter zerstört wurden. Das Gewicht der Knochen, zuzüglich Ergänzungen der fehlenden Knochen, betrug 1 ¼ Tonnen. Man fand also einen kolossalen Bullen der Art Gomphotherium aff. steinheimense mit einer Schulterhöhe von 3,05 Metern – und damit das größte bisher gefundene Exemplar seiner Art. Mit einem Alter von 50 Jahren ist der Bulle das bisher älteste Tier seiner Art. Bei weiteren Untersuchungen des Gomphotherium wurde eine Verletzung der Wachstumsfuge am rechten Fersenbein aus Jugendjahren, festgestellt. Diese führte vermutlich dazu, dass der Bulle zeit seines Lebens hinkte. Da die Verteilung der Skelettteile noch grob den ursprünglichen Zusammenhang zeigte, kann man vermuten, dass das Tier an Ort und Stelle verendet ist oder als noch unzersetzter Kadaver im Bereich eines ehemaligen Flusslaufs angespült wurde.

Das Paläontologen-Team während der Bergung der „Mühldorfer Urelefanten“

Seit den 1990er-Jahren befindet sich das Fossil in detaillierter wissenschaftlicher Bearbeitung. Seitdem ist es weltweit bekannt und hat eine herausragende Bedeutung für die Wissenschaft.

Heute bildet der „Mühldorfer Urelefant“ den Mittelpunkt der Ausstellung im Lichthof des paläontologischen Museums in München. Man findet Abgüsse des Skeletts in zahlreichen Museen weltweit, darunter das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main, das Naturhistorische Museum in Basel und das City Museum von Sendai in Japan.

Der „Mühldorfer Urelefant“ zusammen mit dem Unterkiefer des „Ebinger Urelefanten“ im Lichthof des paläontologischen Museums München

Wegen seines hohen wissenschaftlichen Wertes wurde der „Mühldorfer Urelefant“, der auch unter dem Namen „Gomphotherium von Gweng“ bekannt ist, sogar zum „Fossil des Jahres 2013“ ernannt.

Dennoch war das Gomphotherium nicht der erste sensationelle Fund in der Region. Bereits im Jahr 1930 entdeckte man oberhalb der Mühldorfer Innbrücke den Unterkiefer eines Deinotherium gigantenum. Von dieser Art grub man über die Jahre hinweg noch weitere Überreste aus. Erst im Jahr 1970 kam es zu einer aufsehenerregenden Entdeckung: Man stieß nochmals auf einen Unterkiefer und Stoßzähne, man fand somit also die Überreste des „Ebinger Urelefanten“. Die Stoßzähne, die im Unterkiefer ihren Ursprung haben und nach unten gezogen sind, stellen das auffälligste Merkmal des Deinotherium dar. Diese besondere Form der Stoßzähne findet sich auch in der deutschen Bezeichnung „Hauerelefant“ wieder. Er konnte eine Größe von 3,50 Metern erreichen und lebte im Pilozän in Europa, bis er vor ca. 3 Millionen Jahren ausstarb. Das Original des in der Nähe von Ebing gefundenen Schädelfragments befindet sich in der Staatssammlung München.

Altes Hinweisschild an der Fundstelle der Urelefanten

In den Jahren 2000 bis 2017 kam es noch weiteren zu Funden. Es wurden Überreste des Aceratheriums, also eines hornlosen Nashorns, sowie Geweihteile eines Euprox, eines Hirschvorläufers, gefunden.

Wir arbeiten daran, dass die Abgüsse beider Tiere bald wieder im Geschichtszentrum und Museum Mühldorf am Inn zu besichtigen sind.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Weiterführende Literatur zum Thema:

Rößner, Gertrud: Der Urelefant von Mühldorf. Notizen zu einem außergewöhnlichen Fund, München o.J..

Göhlich, Ursula: Der Ur-Elefant von Gweng bei Mühldorf. In: Mühlrad XL (1998).

Schmidt-Kittler, Norbert: Über neue Funde vorzeitlicher Elefanten aus den Tertiärschichten bei Mühldorf und Gars am Inn. In: Mühlrad XVI (1974).

Ziegler, Bernhard: Einführung in die Paläontologie Teil 1. Allgemeine Paläontologie. Stuttgart 1992.

Impressum

der Informationstafeln „Im Land der Urelefanten. Gomphotherium von Gweng und Deinotherium von Ebing“ eingeweiht am 16.06.2021.

Konzept und Texte
Korbinian Engelmann, Geschichtszentrum und Museum Mühldorf a. Inn

Projektleitung Ausführung
Stefanie Till, Stadt Waldkraiburg
Verena Rögner, Stadt Mühldorf a. Inn

Wissenschaftliche Beratung
Dr. Gertrud Rößner, Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie

Lektorat
Henrike Bäuerlein, München

Grafische Gestaltung
engelhardt, atelier für Gestaltung, Mühldorf a. Inn

Archive und Sammlungen
Stadtarchiv Waldkraiburg,
Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie,
Privatarchiv Klaus Ertelt

© Landkreis Mühldorf a. Inn